Mit 120.000 Ingenieuren sprinten die Chinesen der Konkurrenz davon. Ein Lokalaugenschein im Reich der Mitte.
Unweit einer Teeplantage in der Nähe von Shanghai gibt sich Stella Li, Europa-Chefin und zweitmächtigste Person im BYD-Konzern, siegessicher. “Wer wird zu unserem technologischen Vorsprung Nein sagen können?” In Österreich, einem der erfolgreichsten Märkte der Marke, ist die chinesische Marke bereits in aller Munde, und auch global gesehen fällt ein Rekord nach dem anderen. Doch woher resultieren dieses bahnbrechende Wachstum und die rasante Entwicklungsgeschwindigkeit? Die Antwort auf diese und viele weitere Fragen finden wir auf einer skurrilen und aufschlussreichen Reise im Reich der Mitte.
BYD: Machtdemonstration auf der Automesse Shanghai
Die erste Machtdemonstration lässt nicht lange auf sich warten, denn der erste Programmpunkt heißt Shanghai Motorshow, die mittlerweile zur weltgrößten Automesse avanciert ist. Während einige Konkurrenten Visionen und Zukunftsstudien präsentieren, liefert BYD mit seinen Submarken Denza, Fangchengbao und Yangwang Dutzende neue, produktionsreife Fahrzeuge für alle Regionen der Welt. Die Namen mögen kryptisch klingen, doch die Fakten sprechen Bände: über 1000 PS, Opulenz so weit das Auge reicht und mit einem ganz besonderen Party-Trick an Bord, denn der Yangwang U8, das High-End-SUV der BYD-Luxustochter, kann schwimmen.
Yangwang U8S überquert tiefen Fluss mühelos
Wir haben es getestet und einen tiefen chinesischen Fluss durchquert. Die wasserdichte Karosserie schützt alle sensiblen Teile und durch präzise Kraftverteilung an alle vier Räder verdrängt das Drei-Tonnen-Hybrid-SUV genug Wasser, um auch ohne Bodenkontakt manövrierbar zu bleiben.

Yangwang will in der Liga von Bentley und Rolls-Royce spielen. Ganz ohne Historie, aber dafür mit faszinierender Technik. Ob und wie das außerhalb der Grenzen Chinas klappt, wird sich erst in einigen Jahren zeigen, denn für Europa ist die Marke vorerst nicht gedacht.
Denza will Premiumsegment erobern
Ganz anders steht es um Denza, wo man den europäischen Marktstart bereits eingeläutet hat. Das erste Flaggschiff, der Z9 GT, ein zumindest teilelektrischer Performance-Kombi, will mit Audi A6 e-tron und BMW i5 um Anteile im Premiumsegment kämpfen. Eine kurze Testfahrt in der China-Version überwältigt – in vielerlei Hinsicht. Denn obwohl die zahlreichen Bedienelemente am Lenkrad und am großen Touchdisplay überfordern, ist der technische Fortschritt im
Z9 GT sofort spürbar. Leistung, Fahrverhalten und Anmutung im Innenraum sind mindestens auf europäischem Premiumniveau. Spannend: Die Schaltwippen hinter dem Lenkrad sind nicht wie gewohnt dazu da, die Gänge zu wechseln oder die Rekuperation zu steuern, sie dienen im Denza als Steuerung für den
Autopiloten. Doch obwohl uns der Z9 GT bravourös und völlig autonom durch den chinesischen Stadtverkehr chauffiert, sind Schaltwippen in Europa in naher Zukunft noch der Steuerung des Antriebsstrangs vorbehalten. Dieses Feature mag für viele eine Kleinigkeit sein, doch es zeigt, worauf bei den Chinesen der Fokus liegt. Denn autonomes Fahren ist nun das Gebot der Stunde und die mittlerweile ausgereifte Funktion soll über kurz oder lang in alle Modelle Einzug halten.
Fangchengbao wird global zu Denza
Die dritte Marke im BYD-Verbund wird in Österreich unter dem Namen Fangchengbao wohl kaum ein Auto verkaufen. Das wissen auch die Manager in Shenzhen und werden die markigen SUVs in naher Zukunft global unter dem Denza-Label vertreiben. Mit zwei Differenzialsperren und der typisch kastenförmigen Optik haben sich die Chinesen von traditionellen europäischen SUVs inspirieren lassen und nehmen in Zukunft auch diese Käuferschicht ins Visier.
Wie entwickelt BYD seine Innovationskraft?
Die Antwort auf die Frage, woher die Entwicklungsgeschwindigkeit BYDs stammt, finden wir nicht in der Metropole Shanghai, sondern in einer ländlichen chinesischen “Kleinstadt” mit knapp 700.000 Einwohnern. Es ist die Kombination aus niedrigen Kosten, gezielter Unterstützung der kommunistischen Regierung und einer unfassbar großen Bevölkerung von 1,5 Milliarden Menschen, die BYD zu einer Entwicklungsmannschaft von aktuell rund 120.000 (!) Ingenieuren verhilft. Daraus resultieren bahnbrechende Innovationen in einer nie da gewesenen Frequenz, wie neue E-Autos mit einer Ladekapazität von 1000 kW (angepeilte Ladezeit: fünf Minuten) und eine Flut an neuen, immer weiter verbesserten Modellen – vom günstigen Elektrokombi bis hin zum Supersportwagen -, die den etablierten europäischen Herstellern immer mehr Marktanteil abnehmen werden. Woche für Woche.