Vom Großglockner auf den Ätna; eine seltsame Reiseroute. Aber mit besonders argen Autos geht man eben auf besonders arge Reisen.
10 Tage mit dem Porsche 911 Dakar in vollem Renntrim, was diesfalls einen Dachträger mit Wüstenequipment umschreibt: Mit so einem Auto fährt man nicht zur Mitzi-Tant auf Kaffee und Kuchen. Außer sie wohnt in Sizilien: 4.000 Kilometer, oder acht ganze Reisetage ist jenes Ziel entfernt, das wir uns einbilden, weil Superlative in diesem Fall höchst angebracht erscheinen. Also werden wir mit einem der spektakulärsten Autos der Gegenwart kurz mal den höchsten aktiven Vulkan Europas bezwingen. Noch Fragen?
Und ob! Wer braucht überhaupt ein Auto wie den Porsche 911 Dakar? Einen Sportwagen mit Offroader-Fähigkeiten. Ein Widerspruch in sich. Aber die ehrenvolle Reminiszenz an die Rallye-Erfolge der Sportwagenikone, aufgemascherlt, hergerichtet, vollgepackt mit allem, was gut und teuer ist, dazu Kleber mit Reminiszenzen an Schriftzüge, die esheute nicht mehr geben darf, trifft uns Auto-Menschen genau am richtigen Nerv.
Ein Sportwagen im vollen Offroader-Trim: Braucht das irgendwer?

Insgesamt 2.500 Modelle des Porsche 911 Dakar wurden aufgelegt und waren im Handumdrehen verkauft. Keine weiteren Fragen. Trotz All-Terrain-Reifen und einer Höherlegung um bis zu 8 Zentimeter beißt sich der Rallye-Elfer mindestens so kompetent wie seine flacheren Modellgeschwister in Asphalt-Kurven, mit begeisternder Präzision; da fehlt es an nichts. Unter der Beklebung und den Offroad-Applikationen steckt die Technik des 911 GTS, der mit seinen 480 PS nur von den GT3- und Turbomodellen übertroffen wird. Durch den konsequenten Einsatz von Leichtbauteilen wie der Carbon-Motorhaube aus dem GT3 wiegt der äußerlich ziemlich robust wirkende „SUV-Elfer“ lediglich um 30 Kilo mehr als seine technische Basis.
No worries also für die Verbindungsetappe, die in unserem Fall sowieso den Großteil der hirnverbrannten Reise ausmacht.
Und auch den härtesten Teil, in Wirklichkeit: So spektakulär das Ziel auch sein mag, so langwierig ist die Durchquerung der Apenninenhalbinsel, die skurrilerweise Schattenseiten des ansonsten fabelhaften Dakar hervorbringt. Dass der vollgepackte Dachträger Windgeräusche verursachen würde, war natürlich eingepreist. Dass die auf den ersten Blick supergeilen, lederbezogenen Schalensitze für Menschen mit knapp unter zwei Metern Körpergröße aber etwas zu formschlüssig sitzen merkst du erst nach ein paar Stunden „Autostrada“.
Ein Arbeitsplatz voller Luxus, Komfort und Ergonomie. Einzig die Schalensitze, lederbezogen und edel wir nur, sind nix für Menschen über 1,85 m Körpergröße nebst entsprechender Breite …

Autogrill-Stationen werden zu Wohlfühloasen; die dritte Achtstundenetappe zur Fähre nach Messina bricht mir buchstäblich das Kreuz, zumindest versucht sie es mit aller Kraft. Man lernt Muskelpartien kennen, von deren Existenz man bislang nicht mal gewusst hat. Und jetzt schlafen sie einem plötzlich ein. Wogegen Schmerztabletten und Aerobic-Sessions auf der Raststation kaum geholfen haben, wird von der Begeisterung über das unvergleichliche Landschafts-Panorama kuriert, mit dem uns Sizilien in Empfang nimmt. Zwar haben wir noch keine endgültige Genehmigung für die Auffahrt auf den Ätna; diese liegt, auch als wir längst auf der Fähre sind, völlig unbearbeitet auf einem Behördenschreibtisch in Catania. Aber alleine auf Sizilien zu sein mit einem wie dem Porsche 911 Dakar als Sparringpartner macht uns das ziemlich froh, zumal uns am Vorabend unserer Abreise die lang ersehnte Nachricht erreicht: Wir dürfen ganz rauf auf den Ätna, mit Tourguide und Sondergenehmigung.
Um exakt 6.04 Uhr, im Morgengrauen also, treffen die Stollenreifen des Porsche-Sondermodells erstmals auf Vulkangestein.
Mit dem Jeep unseres Guides hält der 911 Dakar mühelos mit; es rattelt und scheppert nur so vor fliegendem Gestein, aber der Elfer hält mühelos seine Spur. Eine schwarze Mondlandschaft erstreckt sich im Schein der aufgehenden Sonne, die Sekunde um Sekunde ein aufregenderes Licht erzeugt.
Motorblock hatte schon im Vorjahr das Vergnügen, den 911 Dakar im Wienerwald auszufahren. Hier ein paar Bilder von diesem Erlebnis (Fotos: Eryk Kepski).
Wir passieren einige kleine Nebenkrater und lassen den Elfer von der Leine: Im Rallye-Fahrmodus hebt sich das Fahrwerk weiter an, die ohnehin makellose Motor-Getriebe-Kombination wird noch schärfer, und die Regelsysteme lassen die Zügel locker. Wir zirkeln den Dakar immer weiter auf den Vulkan hinauf; die Drifts werden übermütiger, von einer fabelhaften Elektronik im Zaum gehalten, die eine Menge Spaß versteht. Irgendwann schwenken wir ein auf ein schier endloses Plateau, direkt unterhalb des Nordkraters, auf über 3.000 Metern Seehöhe. Wir sind da, das Ziel ist erreicht.

Unter meinen Sohlen ist feiner Vulkansand, und ich versuche, die unglaublichen Eindrücke allmählich zu verarbeiten. Jeder Wimpernschlag ist ein Fotomotiv, mit dem unwiderstehlichen Kontrast dieses tollen Fahrzeugs in dieser atemberaubenden Naturkulisse. Der Videograf ist aus dem Häuschen, sieht die Welt nur mehr durch seine Linse; wer kann es ihm verdenken? Ich versuche innezuhalten, widerstehe dem Reiz, das Mobiltelefon zu zücken und wild drauflos zu fotografieren. Es sind Momente wie diese, die einmal mehr beweisen: Autos sind so viel mehr als bloß Transportmittel. Genauso wie der Porsche 911 Dakar so viel mehr ist als bloß eine unerschwingliche Hommage an vergangene Motorsporterfolge: nämlich vielleicht der beste Elfer aller Zeiten.
Auch Walter Röhrl war vom Dakar begeistert. Folgenschwer …
